Dieser Artikel wurde in der Times of Malta (ToM), in The European und in der Südtiroler Wirtschaftszeitung (SWZ) veröffentlicht. Der Link zum Artikel in The European oder in der SWZ, die PDF/Printausgabe hier (ToM).
Liebe Unternehmer, vergesst Darwin
Nicht einmal jedes fünfte Unternehmen übersteht die ersten zehn Jahre. Schuld daran, so meint unser Autor, ist, dass es zu früh ums zu schnelle Geld geht. Er hält nichts von Charles Darwins These des „Survival of the Fittest“, sondern plädiert für Weitsicht, Umsicht, Rücksicht. Zu viele Pseudo-Innovationen schafften mehr Probleme als Lösungen.
Ob in der Wirtschaft oder Politik: Die vertraute Welt mit ihren scheinbar vorhersehbaren Entwicklungen entschwindet. Viele Theorien und Methoden funktionieren nicht mehr – aber auch neue Ansätze greifen häufig nicht.
Dies bringt nicht nur Gründer, sondern auch erfahrene Unternehmer:innen, Führungskräfte und Politiker an ihre Grenzen. Politik, Wirtschaft und Unternehmertum stehen wahrscheinlich vor der größten Transformation ihrer Geschichte.
Die Balance stimmt nicht mehr
Die Balance stimmt nicht mehr, weil wir weder weitsichtig noch umsichtig noch rücksichtsvoll handeln. Investoren setzen auf Start-ups wie auf Pferde beim Pferderennen – das »Stiften nachhaltigen Nutzens« bei Geschäftsideen spielt kaum eine Rolle. Der klassische Wertekanon dient häufig nur noch als Feigenblatt.
Die Gier nach schnellem Geld verkürzt die Lebensdauer von Unternehmen stetig. Ursprünglich eine Eigenart der Konzernwelt mit ihrem Fetisch der Quartalsergebnisse, hat diese Gier wie ein Krebsgeschwür bis in die Gründerszene gestreut und gefährdet damit das Grundverständnis von Unternehmertum.
Das Problem zeigt sich in der Quote an Fehlschlägen: Bereits nach fünf Jahren existieren laut Eurostat in der EU nur noch 46 Prozent, in Deutschland sogar nur 38 Prozent aller Neugründungen. Ein zehnjähriges Bestehen erreichen nur 10 bis 20 Prozent.
Statt wie solide Unternehmer:innen auf der Basis von Idealen einen langfristigen Beitrag zur Welt zu leisten, geht es heute fast nur noch um das schnelle Geld. In der Folge erleben wir eine enorme materielle und immaterielle Ressourcenverschwendung.
Charles Darwin und die Kollateralschäden
Nicht unschuldig daran ist nach meiner Analyse und Meinung Charles Darwins (1809–1882) berühmte, aber vielfach trügerische, in seiner Wut auf Gott verfasste Evolutionstheorie. Sie ist in meinen Augen voller Lücken, Denkfehler, Unklarheiten und Widersprüche.
Es ist fatal, dass der studierte Theologe Darwin bewusst den Krieg zum Urzustand der Natur erklärte. Denn der genaue, zweite Blick zeigt: Die Natur ist nicht in erster Linie ein Gegeneinander, sondern vor allem ein beeindruckendes symbiotisches System, ein Miteinander!
Darwins irrige Maxime des »Survival of the Fittest« die wir bis zum Auswuchs von »The Winner Takes It All« erleben, hat den weitgehend unregulierten Turbokapitalismus und ein vielfach kriegerisches Konkurrenzverhalten befeuert. Dabei nehmen die meisten Akteure weder auf deren Umfeld noch auf die Umwelt oder die limitierten Ressourcen des Planeten Rücksicht. Kollateralschäden werden in Kauf genommen. Allerdings wird vergessen, dass wir und nachfolgende Generationen am Ende mit dem Schaden leben müssen, den wir anrichten.
Werte als Nordstern
Nur ein Problem von vielen dabei ist: Mit dem Turbokapitalismus lässt sich eine Demokratie auf Dauer ebenso wenig stabilisieren wie mittels Planwirtschaft.
All das setzt uns unter Druck: Selbst, wo die Bereitschaft vorhanden ist, Wirtschaft neu zu denken, fehlt es an hilfreicher Orientierung. So scheitert es nicht immer nur am Wollen, sondern auch am Nicht-Wissen-Wie.
Deshalb sollten wir uns erst recht in einer Zeit der Verunsicherung, wo ein Entscheidungshorizont von fünf Jahren als eine Ewigkeit erscheint, an klassischen Werten, weisen Grundsätzen und Prinzipen von Dauer orientieren. Diese Orientierung könnte uns den Weitblick für ein wertebasiertes Handeln geben – wie ein Nordstern für eine generationenübergreifende Nachhaltigkeit. Diese sollte jeder kultivieren, um sich auf ein robustes Rückgrat an überdauernder Stabilität verlassen zu können.
Praxis bricht Theorie
Dazu gehören Weitsicht, Umsicht und Rücksicht. Sie weisen uns den Weg. Es geht um Weitsicht im Sinne des Vorausdenkens. Es geht um Umsicht für den Blick auf die Gegenwart: Was passiert gerade links und rechts von uns? Und es geht um Rücksicht, auf alle um uns herum, einschließlich Umwelt.
Hierin versagt leider auch die Politik mit ihrem oft wenig maßvollen Handeln. Da fallen Beschlüsse, die vorbildlich gedacht sein mögen, die Menschen aber in ihren Möglichkeiten überfordern, wenn das Wie nicht stimmt. Etwa durch zu hohe Kosten, bürokratische Hürden, Zeitdruck oder auch mangelnden Alternativen. Stichworte: »Energieversorgung, Heizen, Elektromobilität«.
Wertebasiertes Unternehmertum ist des Rätsels Lösung
Nachhaltigkeit und wertebasiertes Unternehmertum sind stets, aber erst recht in Zeiten des Wandels, von entscheidender Bedeutung. Wir benötigen ein neues Weltbild und Bewusstsein dafür, welche Maßnahmen und Investitionen sinnvoll und nachhaltig sind und wo wir es mit Geldverbrennung zu tun haben.
Auch stimmt der Mainstream bezüglich des Verständnisses von Innovation längst nicht mehr. Zu viele Pseudoinnovationen sind ein zentraler Stolperstein, erscheinen zunächst als bombastische Lösungen, sind dann jedoch häufig die Ursache noch viel größerer Probleme. Denn in der heutigen Hektik und Schnelligkeit werden die Dinge kaum mehr sorgfältig zu Ende gedacht. Und darin lauert die Gefahr.
Es ist an der Zeit, vieles neu zu denken, und zwar auch außerhalb der ausgetrampelten Pfade. Wir sollten Weitsicht, Umsicht und Rücksicht zur Maxime unseres Handelns machen. Wahre Werte, nicht das schnelle Geld, sollten unsere Leitwährung sein!
So würden wir auch der Denkschule des US-Ökonomen und Pioniers der modernen Managementlehre, Peter F. Drucker (1909–2005), gerecht:
»Keine unserer Institutionen existiert für sich selbst und ist ein Selbstzweck. Jede ist ein Organ der Gesellschaft und existiert um der Gesellschaft willen. Die Wirtschaft ist da keine Ausnahme. Freie Unternehmen lassen sich nicht damit rechtfertigen, dass sie gut für die Wirtschaft sind. Sie können nur damit gerechtfertigt werden, dass sie gut für die Gesellschaft sind.«