Dinge neu denken
Dieser Artikel wurde in der Times of Malta (ToM) sowie in der SWZ (Südtiroler Wirtschaftszeitung) veröffentlicht. Der Link zum Artikel in der "ToM" bzw. "SWZ", die PDF/Printausgabe ist jeweils hier und hier zu finden.
Die Welt ist im Umbruch
In der Geschichte der Menschheit gab es immer wieder Zeiten, in denen es auf- und abwärts ging. Insbesondere für Unternehmen ist es wichtig, in Zeiten wie diesen durchzuhalten – und die Möglichkeiten außerhalb der ausgetrampelten Pfade wahrzunehmen.
Valletta – Die Zeiten sind turbulent, viele sprechen sogar von einer Zeitenwende. Es sind Zeiten des Umbruchs, der Verschiebungen, der Verwirrungen, der Völkerwanderungen, des Umkehrens, der Teuerung. Das 21. Jahrhundert konfrontierte uns bereits mit Krisen globaler Dimension. Selbst mit einem Krieg in Europa.
Dies bringt nicht nur Gründer:innen, sondern auch erfahrene Unternehmer:innen sowie Führungskräfte an ihre Grenzen. Veränderte Rahmenbedingungen stellen selbst erfolgsverwöhnte Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Auch gängige Managementtheorien sind heute oft wirkungslos. Politik, Wirtschaft und viele Unternehmen stehen wahrscheinlich vor der größten Transformation ihrer Geschichte.
Wobei man sagen muss: Dass alles immer so bleibt, wie es ist, und dass es allen überall gut geht und dass Zeiten des weltumspannenden Wohlergehens, Friedens und paradiesischen Schlaraffenlandes stattfinden, das mag es in Utopien geben. Man mag es für wünschenswert halten. Aber die Realität war und ist eine andere.
Turbulente Zeiten sind ganz normal
Es ist eben nicht normal, dass alles stets nur gut und endlos „aufwärts“ geht. Normal in der Geschichte der Menschheit, unseres Planeten war und ist, dass es mal gut geht und mal nicht. Es ist ein Auf und Ab. Frieden, Vertrauen, konstruktives Verhalten, gelingende Kommunikation, eine funktionierende Demokratie, und ja, auch Erfolg, sind harte Arbeit und von vielerlei Vorgängen und Prozessen abhängig. Zudem findet dies immer auf dünnem Eis statt und ist daher brüchig.
Zu erfolgsverwöhnt von den letzten Jahrzehnten scheint es, als ob viele dies vergessen haben. Stattdessen sind viele geschüttelt von Sorge, Angst, Stress, Pessimismus, von Zukunftsnegativität, von einem Verlust an Hoffnung und Vertrauen, als ob die Zukunft nie mehr besser werden könnte. Eine signifikante Anzahl an Menschen, leider auch so mancher Medien, insbesondere moderner, sozialer Medien, stimmen in den Chor der Besserwisser, sogar der Geheimwisser, der düsteren Analysen, Aussichten und Prognosen ein.
Wer unternehmerisch fortwährend erfolgreich sein will, orientiert sich an Werten und am Nutzen, nicht primär am Profit.
Warum? Weil wir keinen Wertekompass als unseren Leuchtturm mehr haben, an dem wir uns in guten wie in weniger guten, herausfordernden Zeiten orientieren.
Wir sind uns häufig nicht mehr bewusst, dass jede Medaille eben zumindest zwei Seiten hat. Nämlich die der Herausforderungen, aber auch jene der Chancen. Die klassische, seit Langem gültige Zauberformel hierfür lautet: Dein Leben gelingt erfolgreich, wenn du an die zwei Seiten deiner Glücksmedaille denkst. Auf der einen steht: Vision. Auf der anderen steht: Geduld. Halte geduldig an deinen Visionen fest. Und fülle Wartezeiten mit der Konzentration auf deine Visionen.
Das Durchhaltevermögen schwächelt
Auch sind bei vielen die Muskeln des Durchhaltevermögens nicht mehr trainiert. Durchhalten, wenn es schön und alles wunderbar ist, wenn alles gut läuft, wenn alles klasse ist, das ist wahrlich keine Kunst.
Wir haben uns zunehmend blenden lassen. Zu sehr hat sich die Wirtschaft, das Unternehmertum, die Finanzwelt vom Rattenrennen nach schnellem Geld, der obersten Maxime der Betriebswirtschaftslehre, der Gewinnmaximierung verführen lassen. Dabei werden die Kollateralschäden an Vermüllung, Überverbrauch an Ressourcen, Grenzenlosigkeit, Maßlosigkeit, Konsum- und Genusssucht sowie Anspruch ohne Ende rücksichtslos in Kauf genommen. Und dabei vergessen wir, dass wir und nachfolgende Generationen am Ende mit dem Schaden leben müssen, den wir anrichten.
Auch stimmt der Mainstream bezüglich des Verständnisses von Innovationen längst nicht mehr. Zu viele Pseudoinnovationen sind ein zentraler Stolperstein. Wie uns die Geschichte wieder und wieder zeigt, erscheinen unzählige Innovationen zunächst als große Erfolge, als bombastische Lösungen, waren dann aber leider die Ursache noch viel größerer Probleme.
Und manche erschienen sogar als regelrecht bahnbrechend und erst viel später wurden die horrenden Kollateralschäden der vermeintlich großartigen Innovation erkannt.
Schnelle Innovation schafft oft neue Probleme
Mit einer schnell erdachten Innovation löst man zwar möglicherweise ein Problem, häufig aber entstehen dadurch jede Menge neuer Probleme. Die Wissenschaft spricht dabei von „Effekten zweiter und dritter Ordnung“. Sie sind es, die es uns so schwer machen, die Dinge richtig einzuschätzen. Und darin lauert die Gefahr.
Unter Effekten erster Ordnung versteht man die unmittelbaren Ergebnisse und Auswirkungen einer Entscheidung. Effekte zweiter Ordnung sind die längerfristigen Auswirkungen. Effekte dritter Ordnung zeigen sich oft weitverzweigt, erst später und meist ganz anders als erwartet.
Mit einer schnell erdachten Innovation löst man zwar möglicherweise ein Problem, häufig aber entstehen dadurch jede Menge neuer Probleme.
Vorhersehbar sind sie alle auf den ersten Blick selten. Unser Denken ist zu unterkomplex. Deshalb erfordern sinnvolle, verantwortungsvolle, nachhaltige Innovationen Zeit, eine klare Analyse und sorgfältiges Nachdenken. Dadurch geht die Umsetzung etwas langsamer voran, schafft aber weniger neue Probleme. In der heutigen Hektik und Schnelligkeit werden die Dinge jedoch kaum mehr sorgfältig zu Ende gedacht. Das ist mühsam und langwierig – und unsere Zeit mag leider weder Mühe noch Langsamkeit.
Es gilt, vieles zu korrigieren. So sinkt und sinkt die durchschnittliche Lebensdauer von Unternehmen seit Jahrzehnten, sie beträgt derzeit nur noch etwa zehn Jahre. Im Unternehmertum ist langfristiger Erfolg inzwischen die Ausnahme. Das Scheitern ist heute die Norm.
Die Welt braucht mehr Symbiosen
Getrieben vom vermeintlich schnellen Geld müssen 55 Prozent der Gründer:innen – nicht nur der Start-ups – binnen fünf Jahren und an die 90 Prozent innerhalb von zehn Jahren aufgeben. Viele eigentlich berufene Unternehmer:innen wagen deshalb erst gar nicht den Einstieg ins Unternehmertum, oder nach einem Misserfolg nie wieder einen neuen Versuch.
Auch der Wettbewerb auf den Märkten, die häufig zu brutalen Haifischbecken mutiert sind, ist, jedenfalls was Fairness, Spielregeln und Werte anbelangt, außer Kontrolle geraten. Das schadet am Ende allen weit mehr, als es nützt.
Mitschuld daran ist Charles Darwins berühmte, aber vielfach falsche Evolutionstheorie, insbesondere seine Theorie des „Survival of the Fittest“. Sie ist fatal, katastrophal, ein irreführender Beitrag für die Menschheit und Natur, die aus den Schulbüchern verbannt gehört. Länder wie Indien haben diesen Schritt bereits gemacht. An ihre Stelle sollte das Modell der Symbiose treten. Auch in der Wirtschaft, im Unternehmertum.
Langfristig erfolgreich sein
Erfolg zu haben, ist keine große Kunst. Die große Kunst ist, den Erfolg zu bewahren. Und nachhaltiger Erfolg funktioniert nach ganz eigenen Spielregeln und Mechanismen. Kurz gesagt: Wer unternehmerisch fortwährend erfolgreich sein will, orientiert sich an Werten und am Nutzen, nicht primär am Profit.
Statt Experimente braucht es eine Rückbesinnung auf das, was in der Praxis schon immer zuverlässig funktioniert hat. Eine Lösung liegt im nachhaltigen Unternehmertum: Was heute wie ein Schlagwort klingt, ist zugleich in Vergessenheit geratene alte Schule – die wetterfesten kaufmännischen Tugenden, um mit ökonomischer, sozialer und ökologischer Verantwortung für Kunden und Kundinnen, Mitarbeitende und Märkte einen sinnvollen Nutzen mit Weitblick zu stiften.
Genau deshalb habe ich das Buch „Wahre Werte statt schnelles Geld – So machen Sie Ihr Unternehmen krisenfest und langfristig erfolgreich“ geschrieben. Denn es ist an der Zeit, die Dinge außerhalb der ausgetrampelten Pfade endlich neu zu denken! Dabei liegen die Lösungen vielleicht sogar näher, als man denkt. Lassen Sie sich überraschen.