Die Krise als Chance
Dieser Artikel wurde zuerst in Englisch in der Sunday Times of Malta veröffentlicht, danach auch in der SWZ Südtiroler Wirtschaftszeitung). Online-Link "How to turn a crisis into an opportunity" oder als PDF/Printausgabe hier und hier zu finden.
Wer in der Krise einen kühlen Kopf bewahrt, kann seine Schwachstellen ins Positive wenden und gestärkt daraus hervorgehen.
Niemand liebt Krisen. Denn die Lage in einer Krise ist negativ, instabil, nervenaufreibend und gefährlich. Dennoch gehören Krisen zu jedem Leben dazu, zu jeder Gesellschaft und Wirtschaft, zu jedem Unternehmen.
Zugleich hat jede Krise zwei Seiten: eine problematische und eine erfreuliche. Wohl deshalb besteht das chinesische Wort für „Krise“ (危机) aus zwei Schriftzeichen, die einzeln betrachtet „Gefahr“ und „Chance“ bedeuten. Letztlich geht das Wort „Krise" auf das altgriechische Wort „κρίσις“ (crisis - „Zuspitzung“) zurück, Krisen sind also eine Art Lackmustest.
Krise als Tabu nicht akzeptieren
Unternehmer und Firmen in Schwierigkeiten gibt es immer – wahrscheinlich mindestens so viele wie jene, denen es gut geht. Nur ist das in vielen Ländern Europas ein Tabuthema.
Unternehmen, denen es immer nur gut ging, sind mir jedenfalls in meinem ganzen Leben noch nicht untergekommen. Und ich habe viele Unternehmer und Betriebe erfolgreich aus Krisen begleitet. Die meisten waren zuvor erfolgreich, aber irgendwann wurde es dennoch problematisch.
Eine Krise entsteht vorwiegend aus irgendeiner Nachlässigkeit. Wir haben irgendetwas übersehen oder unterlassen. Irgendeine oder mehrere Schwachstellen haben wir ignoriert, nicht ernstgenommen, hintangestellt. Und plötzlich wird alles, was schon untergründig unstimmig war, offensichtlich. In der Krise wird jeder Riss, jede Instabilität ein Thema. In der Krise ist jede Schwachstelle gefährlich.
Krisen eignen sich daher dazu, das Unternehmen zu prüfen. Dies gilt auch im persönlichen Leben. Die Krise macht die Schwachstellen sichtbar. Und das ist die Chance, die in der Krise liegt. Ob es Schwachpunkte in der Führung sind, in der Struktur, in der Organisation, im Ablauf, im Geschäftsmodell, im Umgang mit Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern, in der Entlohnung, der Motivation, der Marktpositionierung, der Konkurrenzfähigkeit, der Produkt- oder Servicequalität, in der Wertschätzung, in der Modernisierung - egal, sie kommen alle ans Licht. Deshalb ist eine Krise letztlich immer etwas Gutes. Sie zu tabuisieren, ist Unsinn.
Vertrauen herstellen durch Transparenz
Führung in der Krise bedeutet, sich zu sagen: Wir können vielleicht die Weltkrise oder die Krise des Landes nicht lösen. Und dennoch können wir bei uns zu Hause die Schwachstellen anschauen und sie zügig verbessern. Dabei prüfen wir Schwachstelle für Schwachstelle und wandeln sie in Stärken um. Und auch die Stärken schauen wir an: Wir machen sie uns wieder bewusst und nutzen sie erst recht. Beides, die neuen und die alten Stärken, gilt es dann auch trotzig publik zu machen!
In der Krise sollte die Führung vor allem auf zwei Dinge bauen: Transparenz und Vertrauen! Beschönigungen, Halbwahrheiten, taktische Spielchen sollte man tunlichst unterlassen. Denn die Menschen merken, ob etwas stimmt oder ob sie jemand für dumm verkauft. Sind Vertrauen und Ruf erst ruiniert, wird es immens schwierig, beides wiederherzustellen.
Andererseits bleibt einem in der Krise nur, auf Sicht zu fahren. Denn Krisen sind hochdynamische Prozesse mit Nebelfaktor. In der Krise kann man keine 10-Jahres-Pläne schmieden oder Entscheidungen treffen, die für lange Perioden vorausgedacht sind.
Insofern ist es in der Krise nicht unehrenhaft, wenn man jemandem oder auch seiner Belegschaft ganz offen sagt: „Ich habe keine Ahnung, wie sich das weiterentwickelt, weil einfach niemand eine Ahnung hat, wie es sich weiterentwickelt“. Diese Ehrlichkeit ist sogar unbedingt nötig. Wie ebenso, dass Sie sich offen für Einschätzungen und Ideen aus dem Kreis Ihrer Belegschaft und von Außen zeigen.
Ein „Advocatus Diaboli“ und ständige Präsenz
Wichtig in der Krise ist es zudem, sich mit kompetenten Leuten zu umgeben. Denn in der Krise alles selbst zu wissen, zu überschauen, zu durchblicken und zu sehen, ist extrem schwierig und somit riskant. Es braucht externe Profis mit Fachkenntnis, kompetente Berater sowie mindestens einen sehr erfahrenen, krisengeprüften „Advocatus Diaboli“. Letzterer hat die Aufgabe, alles – den Status quo sowie die Verbesserungspläne – aus den unterschiedlichsten Perspektiven kritisch zu hinterfragen. Ein Advocatus Diaboli hält dem Chef oder der Führungsriege auch den Spiegel vor. Er kann und darf auch den Obersten sagen: „Das ist aber töricht, was ihr da macht.“ Er nimmt kein Blatt vor den Mund, und das macht ihn so wichtig.
Und noch ein Punkt ist im Krisenmanagement entscheidend: Sie müssen sich zeigen. Gerade in der Krise gehört der Kapitän an Bord, da gibt es keinen Urlaub. In der Krise muss Führungspersonal doppelt und dreifach so präsent sein wie sonst, doppelt und dreifach so nervenstark, doppelt und dreifach so kommunikationsbereit. Die Führungsmannschaft muss für die Mitarbeiter da sein! Und zwar vom Untersten bis zum Obersten. Dies auch im Sinne der Redensart: Der Chef ist morgens der Erste, der kommt, und abends der Letzte, der geht.
Damit haben Sie die besten Voraussetzungen, eine Krise zu meistern, ihre Chancen erfolgreich zu nutzen und gestärkt daraus hervorzugehen.