Die Welt der Start-ups ist zu einem Wilden Westen geworden
Die moderne Start-up-Kultur hat sich zu einer schädlichen Mode entwickelt. Erschreckenderweise produziert sie bis zu 80 Prozent zum Scheitern verurteilter Fälle. Dieser Artikel wurde zuerst in der The Sunday Times of Malta (cover page of „classified“) publiziert.
Die moderne Start-up-Kultur hat sich zu einer schädlichen Mode entwickelt.
Erschreckenderweise produziert sie bis zu 80 Prozent zum Scheitern verurteilter Fälle. Viele angehende Unternehmer träumen davon, ein „Unicorn“ auf die Beine zu stellen, d. h. ein Start-up, das die Bewertung von zumindest 1 Milliarde Dollar erreicht. Die moderne Start-up-Kultur hat sich zu einer schädlichen Mode entwickelt. Erschreckenderweise produziert sie bis zu 80 Prozent zum Scheitern verurteilter Fälle. Über zwei Drittel der Unternehmer, die mit ihrem ersten Unternehmen scheitern, sind weitgehend bankrott, traumatisiert und werden in vielen Ländern sogar stigmatisiert. Daher werden sie es nie wieder versuchen. Und jene wenigen, die es ein zweites Mal versuchen, haben statistisch keine besseren Erfolgsaussichten.
Das müssen wir dringend korrigieren, denn wir benötigen genügend erfolgreichen Nachwuchs, zumal junge Unternehmen neue Arbeitsplätze schaffen und die durchschnittliche Lebensdauer etablierter Unternehmen seit Jahrzehnten ständig nur sinkt. Einerseits ist es ermutigend zu sehen, dass die EY-Jugendstudie 2021 für Malta zeigt, dass etwa 60 Prozent der Millennials (geboren 1981–1996) und der Gen-Z (geboren 1997–2012) davon träumen, Unternehmer, anstatt unselbstständige Angestellte zu werden. Aber andererseits legt dieses Ergebnis den Finger genau in die Wunde.
Es ist wichtig zu analysieren und zu verstehen, warum diese Jugendlichen angeben, dass sie sich dem Unternehmertum zuwenden möchten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man das dasselbe vorherrschende Muster wie in den meisten Industrieländern finden wird, welches diese giftige moderne Start-up-Mode hervorgebracht hat.
Das Problem besteht darin, dass die Hauptmotivation junger Menschen für eine unternehmerische Tätigkeit in dem Irrglauben besteht, dass dies ein bequemer und rascher Weg zu Wohlstand, Spaß und Luxus ist. Materialismus und Lebensstil sind die sehr wahrscheinlichen Triebfedern für dieses Ergebnis, im Gegensatz zu einer fundierteren, langfristigen unternehmerischen Ambition. Die vorherrschende Mentalität dabei: „Unternehmer sein = schnell viel Geld verdienen“. Dies entspricht jedoch in keiner Weise der Realität. Die Dotcom-Blase der New Economy ist tot; die Träume vom Silicon Valley mit Jets und Jachten für alle wird es nie geben.
Nur wenige der „Möchtegern-Unternehmer“ (wannapreneurs) wissen, was es heißt, ein Unternehmer zu sein und was sie wirklich tun. Unternehmer ist keine Berufsbezeichnung, sondern eine tief verwurzelte Geisteshaltung von Menschen, die die Zukunft verändern wollen. Dies, indem sie eine innovative Idee kreieren oder aufgreifen, nutzen, sie zur Reife entwickeln, möglicherweise auch nur kopieren und verbessern oder von jemandem lizenzieren, um ein gewinnorientiertes, skalierbares Unternehmen zu gründen, das erfolgreich die Nachfrage nach einem neuen oder besseren Produkt oder einer Dienstleistung befriedigt. Zu viele sind sich dessen nicht bewusst und auch nicht bereit, die Arbeit zu leisten, die nötig ist, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen, was aber genau die größte Herausforderung im Geschäftsleben darstellt.
Millionen von Menschen träumen davon, der romantischen Erzählung einer Handvoll äußerst erfolgreicher Gründer der weltberühmten Digital-Dragons, von Hightech-Unternehmen oder von Start-ups aus Fernsehshows wie „2 Millionen 2 Minuten“ nachzueifern, wobei sich das Ziel der Gründer leider häufig in ein Vehikel verwandelt, mit dem sie und ihre Risikokapitalgeber (VCs) so schnell wie möglich zu viel Geld kommen.
Das Problem ist, dass die Hauptmotivation junger Menschen für das Unternehmertum in dem Irrglauben besteht, dass es ein schneller, automatischer Weg zu Reichtum, Spaß und Luxus ist. In Wirklichkeit sind die lediglich 20 bis 30 Prozent der Neugründungen, welche die ersten fünf Jahre überleben, im Durchschnitt nicht vor dem siebten Jahr rentabel und schaffen es nicht, vor dem zwölften Jahr an die Börse zu gehen. Dennoch beträgt die am häufigsten vorgeschlagene Zeit für den Ausstieg aus dem Start-up, dem Verkauf, der in der Businessplansprache „Exit“ genannt wird, nur illusorische vier Jahre.
Genau dies, die Gier nach dem schnellen Geld, hat bedauerlicherweise das Wesen dessen verändert, was viele Gründer und Investoren als Motivation für die Gründung neuer Unternehmen ansehen. Die Folgen sind verheerend. Leider stellt diese engstirnige Sichtweise eine faktenbasierte Diskussion darüber infrage, was erfolgreiches Unternehmertum in der Realität erfordert und wie wenig verwertbare Lektionen diese romantisierten Erzählungen für die 95 Prozent der normalen Gründer bereithalten. Ganz zu schweigen davon, dass sie davon träumen, ein „Einhorn“ zu entwickeln, d. h. ein Start-up, das eine Bewertung von mindestens 1 Milliarde Dollar erreicht. Es ist zwar nicht unmöglich, aber den Status eines Einhorns zu erreichen, jedoch ist unglaublich schwierig. Tatsächlich liegt die Chance dafür bei lediglich 0,00006 Prozent, ähnlich wie für den Jackpot beim Glücksspiel.
Der uralte, sehr nachhaltige Prozess der Unternehmensgründung begann sich in den 1980er-Jahren zu verändern, als Wirtschaftsstudierende sich dafür interessierten, den wenigen Rockstars der Digital-Dragons wie Bill Gates und Steve Jobs nachzueifern. Damals beschäftigten sich nur wenige Business Schools mit der Frage, wie man neuen Unternehmen zum Erfolg verhelfen kann. Doch als die Universitäten erkannten, dass ihre Studenten bereit waren, auf eine Karriere als Manager zu verzichten, um ihr eigenes Unternehmen zu gründen, reagierten die Wirtschaftsprofessoren mit entsprechenden Kursen.
Damals war der Begriff „Unternehmer“ - abgeleitet vom französischen Wort "entreprendre" (aus dem Jahr 1723), was so viel bedeutet wie „etwas unternehmen“, „Gelegenheiten wahrnehmen“ oder „Bedürfnisse und Wünsche durch Innovationen und Unternehmensgründungen erfüllen“ - noch nicht einmal bekannt. Dennoch ist es nicht wichtig zu verstehen, dass viele Entrepreneurship-Ausbildungen von Akademikern entwickelt und gelehrt werden, die zweifelsohne die besten Absichten haben, aber meist weder jemals an der Front der Geschäftswelt gearbeitet haben, noch ihr eigenes Unternehmen gegründet oder geleitet haben, noch durch Himmel und Hölle das Kreuz des Unternehmertums getragen haben. Die Theorie ist wichtig, reicht aber bei Weitem nicht aus.
Es heißt, jedes neu gegründete Unternehmen, Start-up, sollte mit einem schriftlichen Geschäftsplan beginnen, der darauf ausgerichtet ist, Risikokapitalgeber einzuwerben. Aber ein guter Autofahrer wird man auch nicht auf dem Papier, indem man nur das Handbuch und die Straßenverkehrsordnung studiert. Zudem wurde die Ausbildung der Ökosystempartner und der Mentoren dabei weitgehend vernachlässigt. Tatsache ist, dass zu viele der letzteren, die es zweifellos gut meinen, leider ebenso schädlich wie hilfreich sein können, weil sie nicht angemessen auf diese sensible Beratungstätigkeit vorbereitet wurden, nicht up to date sind.
Aber es gibt noch viel mehr Widrigkeiten, wie der Bestsellerautor John Mullins von der London Business School so treffend feststellte: „Leider haben die VCs und der Rest des unternehmerischen Ökosystems vor ein paar Generationen im Silicon Valley und in Boston und jetzt fast überall sonst das Rampenlicht der Finanzierung an sich gerissen. Sie haben die Unternehmer davon überzeugt, dass das Schreiben von Geschäftsplänen und die Beschaffung von Investorenkapital die einzigen Möglichkeiten sind, ein Unternehmen zu gründen. Das ist völliger Unsinn und falsch.“
Wir sollten uns nicht über die katastrophale Entwicklung der Start-up-Kultur und die hohen Misserfolgsquoten wundern. Wenn man sich mit der Motivation, vor allem schnell reich und berühmt zu werden, auf dieses Wagnis einlässt, wenn man zu wenig Ahnung davon hat, was es bedeutet, ein erfolgreicher Unternehmer zu werden, wenn man nicht solide ausgebildet, gut vorbereitet und bereit ist, die mühsame Arbeit, einschließlich der erheblichen Risiken und der Verantwortung, auf sich zu nehmen, dann kann es kaum zu einem soliden, erfolgreichen Ergebnis führen.
Meiner Meinung nach ist es unverantwortlich, wie wir mit unseren jungen Talenten umgehen. Wirtschaftlich gesehen schaden wir nur uns selbst und gefährden unseren zukünftigen Wohlstand. Es braucht keine Raketenwissenschaft, um zu verstehen, dass die stark propagierte zweiteilige Doktrin, die glaubt, erfolgreiche neue Unternehmen hervorzubringen, auch nicht funktioniert. Nämlich, jedes neue Unternehmen sollte mit einem schriftlichen Business-Plan beginnen, der darauf ausgelegt ist, VCs anzusprechen, und der Glaube, dass die Erfolgschancen für jedes neue Unternehmen besser sind, wenn es in einem unterstützten unternehmerischen Ökosystem, einem Gründerzentrum, aufwächst.
Die erfolgreiche Gründung eines Start-ups in einem Umfeld, in dem die ersten Jahre unvermeidbar chaotisch verlaufen, ist ein knallhartes Trial-and-Error-Abenteuer, vielfach Improvisation. Meiner Erfahrung ist es keine große Kunst, erfolgreich zu sein, aber eine große Kunst, den Erfolg langfristig aufrechtzuerhalten; das ist eine ständige Herausforderung, die ihren eigenen Regeln und Mechanismen folgt.
Daher wäre es von großem Nutzen, von den praktischen Erfahrungen der Meister des 360°-Unternehmertums zu lernen, anstatt sich von der romantischen Erzählung blenden zu lassen.
Als wesentlichen ersten Schritt zur Beseitigung der negativen Auswirkungen der derzeitigen Start-up-Kultur empfehle ich nachdrücklich, die Ausbildung zum Unternehmertum mit einem überwiegenden Praxis-Anteil zu verbessern und den vielfachen Irrglauben potenzieller Jungunternehmer zu korrigieren. Sicherlich bedarf es noch weiterer Schritte, einschließlich der Toleranz für ein Scheitern, eine Verwandlung unserer Unkultur des Scheiterns in Europa in eine Kultur des Scheiterns, um eine Trendwende zu schaffen.
Ein Land, dem dies gelingt, wird langfristig erhebliche Wettbewerbsvorteile für seine Volkswirtschaft, seine Bürger und seinen Wohlstand schaffen und glückliche Unternehmer hervorbringen. Dafür werde ich mich mit vernünftigen Vorschlägen unermüdlich weiter einsetzen.